Rosenhorn (3688m) Überschreitung

Gemäss Tourenprogramm wäre die Überschreitung des Rosenhorns am 31. Juli angesagt gewesen. Das Wetter hat aber nicht mitgespielt, und so konnte die Tour nicht am vorgesehenen Datum stattfinden.  Da sich am Ende nur zwei Verwegene nicht vom furchteinflössenden Tourenbeschreibungstext (ZS, lange Tour) haben abschrecken lassen, bot ich ihnen an, die Tour in der Folgewoche einzuplanen und auf ein gutes Wetterfenster zu hoffen. Der Donnerstag versprach recht schön zu werden, aber leider bescherte das Dauertief in tieferen Lagen viel Regen und über 3'000 müM viel Schnee. Sollten wir die Tour trotzdem wagen und einen Abbruch mitten in der Tour riskieren? Nach einen kurzen Gespräch mit den Teilnehmern Julia Sprunger und Jonas Himmelsbach, sowie einem Chat mit Jonas Allemann entschied ich die Tour durchzuführen. Am Mittwoch stiegen wir um 10:30 Uhr zur Glecksteinhütte hoch. Entlang der Drahtseile und hübsch in den Felsen gehauenen Weg, vorbei an der Pfingstegg, unter dem berühmten Wasserfall durch, einige Wanderer begrüssend, bis wir um 13:00 auf der Hütte ankamen. Am Nachmittag machten wir etwas Seiltechnik und zeigten Julia diverse Dinge, auf die es am Tourentag ankommen wird. Insbesondere der Ablauf der Handlungen im Falle eines Spaltensturzes, der  Selbstaufstieg und das anseilen in der Seilmitte wurde geübt. Wie erwartet waren infolge des vielen Neuschnees nicht viele Tourengänger in der Hütte, nur eine zweite Seilschaft, die allerdings das Wetterhorn besteigen wollte.

Um 03:00 standen wir auf, das Morgenessen wurde von der Hüttencrew in einem Kübel vors Fenster gestellt, so bleib das Müsli, der Käse und die Butter frisch. Um 03:35 Uhr starteten wir Richtung das 'Beesi Bergli'. Der Weg war sehr nass, an dutzenden Stellen strömten Bäche den Berg hinunter und Konzentration war nötig, damit man nicht auf den rutschigen Steinen ausrutschte. Über die grösseren Bäche gab es Sicherungseinrichtungen, Fixseile, oder gar Bretter, welche die Überquerung erleichterten. Nach 20 Minuten erreichten wir die 'Schlüsselstelle' der ersten Stunde. Wir stiegen etwa 50 Meter an Drahtseilen und Eisenbogen, welche in den Fels gebohrt wurden in eine Schlucht ab, um einen grösseren Bach zu überqueren. Wir sprangen von Stein zu Stein über den Bach und hielten uns an einem Seil, das über den Bach gespannt war. Auf der anderen Seite musste mittels einer Hängeleiter wieder hochgestiegen werden. Danach folgten wir den Wegspuren, welche gut erkennbar blau-weiss markiert waren. Bald schon wurde der Weg steiler, Schneefelder mussten überquert oder hochgestiegen und Felsbänder erklettert werden. Unter uns grummelten die Abbrüche des grossen Grindelwaldgletschers, auf den wir in Bälde treten würden. Auf ca. 2'840 müM seilten wir uns an - Julia in der Seilmitte - nahmen den Pickel in die Hand und stiegen das letzte steile Schneefeld bis zum Gletscheranfang auf ca. 2'900 müM hoch. Der Gletscher war überzuckert mit Neuschnee, jedoch waren die Spalten gut erkennbar. Ein relativ grosser Randspalt musste gleich zu Beginn überwunden werden, wir hielten das Seil gespannt und dann ging es in gewundener Linie den Gletscher hoch. Der Neuschnee hatte in den letzten Stunden einen halbharten Deckel erhalten, sodass man bei jedem Schritt zuerst glaubt der Deckel hält und dann bricht man doch ein. Dadurch war das Gehen für den Spurenden sehr anstrengend. Um den Durchbruch in die weicheren Schichten kontrollieren zu können, durchbrach ich den Deckel mit den Steigeisen. Je höher wir stiegen, je tiefer sanken wir in die untere Schneeschicht ein. Das war zeit- und kräfteraubend. Während Julia mich  anfeuerte, hatte Jonas Glück, dass ihn der Deckel die meiste Zeit trug und so konnte er recht entspannt den Gletscher hochsteigen. Endlich kamen wir doch noch zum Punkt auf ca. 3'300 an, an dem es zwei grosse Spalten und eine steile Flanke zu überwinden galt. Ich ritze jeden Schritt mit dem Pickel vor und sank knietief ein. Um ca. 07:45 Uhr erreichten wir schliesslich das grosse Plateau unterhalb des Mittelhorns und sahen nun erstmals die tief eingeschneiten Grate des Rosenhorns. Wir hatten das schon am Vortag angenommen und so war sofort klar, dass wir statt des Westgrats via den Südostgrat hochsteigen würden. Der Südostgrat ist weniger steil. Nach einer kurzen Pause - es windete heftig, die Sonne zeigte sich kurz - durchquerten wir zügig das Plateau, umrundeten auf ca. 3'360 müM den Felssporn des Südausläufers des Rosenhorns und stiegen ostseitig den Gletscher bis auf die Höhe 3'580 müM, vorbei an einer mächtigen Wächte, hoch. Am Fuss des Grates angekommen, beäugten wir respektvoll den tief eingeschneiten Grat. Die Felsen schauten aus dem Schnee hervor und hatten allesamt hübsche Schnee-Eisfahnen, welche in Windrichtung abstanden. Als ich mit Michael Konrad zwei Wochen zuvor die Tour unternahm, um diese zu rekognoszieren, war der Westgrat mehrheitlich und der Südostgrat komplett schneefrei. Nur in den Flanken hatte es Schnee. Daher konnten wir - im Gegensatz zur jetzigen Besteigung - den Südostgrat ohne Steigeisen abklettern.

Erneut gab es eine kurze Trinkpause, richtig gemütlich war es aufgrund des recht starken Windes nicht. Jonas verkürzte das Seil, ich nahm ebenfalls weitere Seilschlaufen auf, sodass mich zu Julia nur wenige Meter trennten. Abwechselnd mal am kurzen Seil und mal ein paar Meter vorauskletternd mit Nachsicherung arbeiteten wir uns konzentriert dem Grat entlang zum Gipfel (3'689 müM), welchen wir um exakt 10:00 Uhr erreichten. Wir blieben nicht lange, da es - obwohl sich mittlerweile die Sonne durchgesetzt hat - halt immer noch kalt und windig war, aber der Eintrag im Gipfelbuch und das obligate Gipfelfoto musste schon sein.

Der Abstieg zurück über den Grat führte Jonas an, ich sicherte oben. Mit Umsicht und gutem Auge stieg er den Grat hinunter, mal direkt  über die Felszacken, mal etwas mehr in der Westflanke. Julia folgte ohne Probleme. Wieder auf dem Gletscher, ging es in etwas direkterer und dadurch steilerer Linie hinunter. Jeder Schritt hinterliess ein tiefes Loch im Schnee, was vor allem beim Gegenanstieg nach der Überquerung des Plateaus zum Punkt 3'339 müM die Lungen pumpen liess. Die nächsten 400 Höhenmeter stiegen wir ohne Verzug ab, da es mittlerweile gegen Mittag zuging und die Sonne den Schnee aufweichte; Jonas ging erneut voraus. Ohne Probleme erreichten wir das Ende des Gletschers, sprangen über den letzten Spalt, rutschten das obere Schneefeld hinunter, bis zum Platz, wo wir uns angeseilt hatten. Der Wind war auf dieser Höhe praktisch weg, die Sonne schien und so konnten wir die Jacken und sonstigen wärmenden Klamotten, Handschuhe und die technischen Gerätschaften im Rucksack versorgen. Endlich nahmen wir uns auch Zeit für den mitgetragenen Lunch. Nach ausgiebiger Pause stiegen wir den gleichen Weg via unteres 'Beesi Bergli' ab, durch den grossen Bach und Gegenanstieg zurück zur Hütte, wo wir um 13:35 ankamen. Somit waren wir 10 Stunden unterwegs.

Bei der Hütte gönnten wir uns alle ein Rivella, sortierten und trockneten das Material. Da wir uns alle gut und noch fit genug für den Abstieg fühlten, nahmen wir noch den Abstieg nach Grindelwald in Angriff. Wir verabschiedeten uns von der Hüttencrew und stiegen In gemütlichem Tempo ab. Bei der Haltestelle angekommen, mussten wir noch 40 Minuten auf das Postauto warten, also legten wir uns in die Sonne und liessen die Tour Revue passieren. Insgesamt sind wir an diesem Tag 23.5 km, ca. 1'600 Höhenmeter hoch und ca. 2'400 Höhenmeter abgestiegen.

Wegen der Verhältnisse war es eine aussergewöhnliche Besteigung, den Gipfel mussten wir uns verdienen. Danke an Julia und Jonas für die zwei tollen Tage!

Liebe Grüsse Daniel